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Freude, Wut, Schmerz: Die Fotoaktion "Many Faces" des Braunschweigers Christoph Borek will aufzeigen, dass wir bei aller Einzigartigkeit alle

gleich sind in unseren Empfindungen. Christoph Borek 

Kultur  4. Februar 2025 | Seite 11

 

Ein Teil vom großen Ganzen


Many Faces: Christoph Borek sucht für sein verbindendes Foto-Projekt einen Ausstellungsort.


Ann Claire Richter


Braunschweig Ein herzerfrischendes Lachen, ein vernichtender Blick, ein leidvoll verkniffenes Gesicht: Christoph Borek kitzelt aus Menschen Emotionen heraus. Freude, Wut, Schmerz – die archaischsten aller Gefühle. Er sammelt Gesichter im mimischen Dreiklang. Von Männern, Frauen und Kindern. Von Alten und Jungen. Egal wie reich, egal wie arm. Egal, woher sie kommen. Mit seinem Fotoprojekt „Many Faces“ will der 44-Jährige aufzeigen, dass wir bei aller Einzigartigkeit alle gleich sind in unse-
ren Empfindungen. Ein Statement gegen Vorurteile, Berührungsängste und Fremdenfeindlichkeit.


„Es spielt keine Rolle, ob eine Hochzeit in einer Kirche, Synagoge oder Moschee stattfindet – Menschen empfinden Freude. Es spielt auch keine Rolle, ob jemand in Australien, Afrika oder Asien Ungerechtigkeit erlebt – Menschen empfinden Wut. Und es spielt keine Rolle, ob jemand in Indien, Brasilien oder Ungarn beerdigt wird oder wir uns verletzten – Menschen empfinden Schmerz. Und das überall gleich. Nicht einmal Worte sind dafür notwendig“, schreibt er auf der Many-Faces-Homepage.


Wir sind neugierig geworden auf den Mann und seine Aktion und besuchen ihn in seinem Studio. Dort empfängt uns eingangs auf einer Staffelei ein gewaltiges Foto von Udo Walz, dem inzwischen verstorbenen Promi-Friseur. Auch Walz hatte mitgemacht bei Boreks Projekt und Freude, Wut und Schmerz für die Kamera nachempfunden. Heute aber sind wir dran, uns der Many-Faces-Familie, wie er sie nennt, anzuschließen. Mehr als 1000 sind wir schon. Haben uns alle von Borek zum Lachen animieren lassen, ihm unser Wut-Gesicht gezeigt und offenbart, wie sich bei uns Schmerz ausdrückt.


Ein interessantes Experiment, sich der eigenen Mimik so bewusst zu werden und sich einzulassen auf das Wechselbad der Gefühle. Augen schließen! Einatmen! Sich ins gewünschte Gefühl versenken! Dann Augen auf und wütend geschaut! Klick, klick, klick. Das Foto mit dem Gedanken an Donald Trump ist am gelungensten und kommt in die Sammlung.


Borek lenkt einfühlsam, entkrampft, redet viel, baut Vertrauen auf. Ihm ist bewusst, was ihm die Menschen zum Geschenk machen: ihr Innerstes. Auf Instagram sind unter manyfaces.cb inzwischen viele der Dreifach-Porträts versammelt. Boreks Ziel: eine große Ausstellung. 1000 x 3 Bilder. 5x5 Zentimeter oder 10x10. Allesamt Schwarz-Weiß-Aufnahmen mit starken Kontrasten. Zudem soll ein „Masterpiece“ entstehen, ein 2x2 Meter großes Meisterstück, das alle Porträtierten vereint. Die angepeilten 1000 Menschen hat er inzwischen beisammen ist begeistert, dass rund 60 Nationen vertreten sind. Nun fehlt noch ein geeigneter Ausstellungsort, der alle Exponate fasst und Platz für viele Menschen bietet. Denn die Bilderschau soll unbedingt auch ein Ort der Begegnung sein, des Kennenlernens, der Kommunikation. Alle Mitglieder der Fotofamilie sollen zur Vernissage eingeladen werden. Der Erlös der Ausstellung soll karitativen Zwecken zugute kommen.

„Man wird diese Ausstellung mehrfach sehen müssen“, meint Borek schmunzelnd. Beim ersten Besuch suche nämlich jeder erst einmal sein eigenes Porträt in der Masse an Bildern. Die Vielfalt sei zunächst sicher erschlagend. „Um die Ausstellung in ihrer Gänze zu erfassen, reicht einmal Anschauen wohl nicht aus.“


Seit 2018 sammelt der Braunschweiger für sein Emotions-Puzzle. „Ich bin kein Profi-Fotograf“, stellt er klar. Aber er habe ein großes Maß an Leidenschaft für die Sache. Und er ist dankbar, weil ihm das Projekt so viele interessante Menschen vor die Kamera geführt hat. Wie Udo Walz, der in seinem Berliner Salon ein Bild von sich abnehmen ließ, um das Foto von Borek aufzuhängen. „Dort hing es bis zu dessen Tod.“


Unter den vielen Gesichtern entdecken wir auch den „Silent Radio“-Sänger Louie und Jazzkantinen-Chef Christian Eitner. Fotokünstlerin Nina Stiller ist ebenfalls Mitglied der Many-Faces-Familie. „Dass ein Profi von ihrer Qualität mitmacht, ist für mich eine ganz besondere Ehre“, sagt Borek. Grundsätzlich aber sind die Namen der Porträtierten für das Projekt nicht wichtig und daher auch nicht vermerkt. Eine(r) für alle, alle für eine(n). Es geht ums große Ganze.


Einzigartig und alle gleich. Ob Schwarz, ob Weiß, ob aus Afrika oder China – ein schöner Gedanke. Oder doch eher naiv? Zeigt die Welt nicht gerade auf bestürzende Art und Weise, wie selten die Menschen am gleichen Strang ziehen, wie trennend Kulturen, Religionen und Denkweisen sein können? „Ich glaube an das Gute im Menschen“, sagt der engagierte Laienfotograf und betont: „Ich will Sichtweisen verändern.“ Er zitiert den amerikanischen Philosophen William James mit den Worten: „Tue al-
les, was du tust so, als ob es große Bedeutung hätte.“ Großes aus dem Kleinen schaffen, das hat Borek im Sinn. Gemeinsam
seien wir stark. „Ich möchte mithelfen, dass wir wieder zusammenfinden“, sagt er.

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